kartonagen 2017-2020

kartonagen 2012-2016

Welch spannende Möglichkeiten die Wellpappe als künst­lerisches Ausdrucksmittel bietet, zeigt Géza Spiegel in seinen aktuellen Arbeiten. Inspiriert von ihrer Festigkeit, die zugleich mit filigraner Leichtigkeit daherkommt, begeistern ihn die strukturellen, reliefhaften und haptischen Eigen­schaften dieses unscheinbaren industriellen Werkstoffs, dem er mit Schneidemesser, Klebstoff, Farbe, Spachtelmasse, Wachs und zusätzlich applizierten Materialien faszinierende Aspekte ablauscht. Diese Aufzählung zeigt schon, dass Géza Spiegel dem ursprünglichen Wesen der Wellpappe intensiv zu Leibe rückt und es nicht bei ihrem eintönigen Wellenbild in stets dezent grauem, braunem oder beigem Farbton belässt. Er schneidet sie in unterschiedlich große Elemente, die er zu einem neuen Ganzen anordnet, bevor er den Verfremdungsprozess mit der Hinzufügung weiterer Mate­rialien abschließt.

 

So wirken seine Arbeiten mal kompakt, mal fast luftdurch­lässig, vor allem dann, wenn das aufgetragene Wachs den Untergrund durchscheinen lässt. Wer sich für einen inten­siveren Blick auf diese Arbeiten Zeit nimmt, wird unschwer entdecken, dass hier einer am Werk ist, der den feinen Nuancen, dem überraschend Ungewohnten und so noch nicht Gesehenen zur Entfaltung verhilft.

 

Ein anderer Aspekt der Wellpappe, den Géza Spiegel aber nicht überbewertet sehen möchte: Er betrachtet seine kartonagen auch als Hinweis darauf, dass wir in unserer heutigen Überflussgesellschaft Gefahr laufen, den Blick zu verlieren für das scheinbar Wertlose, im Falle der Wellpappe für einen Rohstoff, den wir normalerweise nur zum Verpacken verwenden, um ihn anschließend zu entsorgen. Irgendwann reizt Géza Spiegel auch diese Seite der Wellpappe, nämlich
als Werkstoff, der es sehr wohl wert ist, künstlerisch genutzt zu werden. So recycelt er die Wellpappe, x-mal achtlos weggeworfen, als vielseitiges künstlerisches Mate­rial, das seinem Gestaltungswillen neue, bisher unbekannte Horizonte eröffnet: dem Zweidimensionalen wird eine dritte Dimension erschlossen, die Fläche dehnt sich zum Raum hin aus; das in zweidimensionalen Bildern nur dem Auge Zugängliche wird haptisch, der Betrachter möchte unwill­kür­lich berühren, was
er sieht und erfährt so, dass Kunst im Sinne des Wortes »begreifbar« wird.

 

Géza Spiegels kartonagen sind nicht das Abbild von irgend­­etwas, sie verzichten auf von weit hergeholte Botschaften; und wenn sie eine Symbolik besitzen, dann wird sie ihnen von den Betrachtern selbst gegeben und nicht von professionellen Experten hineingedichtet. Seine kartonagen sind im besten Sinne einfach. Sie sind die weder lauten noch aufdringlichen Ergebnisse eines aufregenden künstlerischen Prozesses, in dem es vor allem um eins geht: scheinbar Vertrautes neu zu entdecken.